Hier veröffentlichen wir eine Fachpublikation von Herrn Dr. Hans Lautenschläger aus Leichlingen.
Hautpflege bei Schwangeren
Wenn sich Nachwuchs angekündigt hat, muss vieles neu organisiert werden: die Wohnungsausstattung, Alltagsabläufe oder das Zubehör für das zu erwartete Baby. Auch die Hautpflege ist anzupassen.
Eine Schwangerschaft ist ein bedeutsamer Einschnitt im Leben einer Frau. Nichts ist mehr so wie es vorher einmal war. Es gilt, sich auf die neuen Umstände und Bedingungen einzustellen. Dabei machen die Haut und ihre Pflege keine Ausnahme.
Vom Beginn der Schwangerschaft an schüttet die Plazenta mit dem humanen Choriongonatropin (hCG) ein Hormon aus, das die Bildung von Progesteron und Estrogen stimuliert. Dadurch wird der Körper auf die spätere Geburt vorbereitet und auch das äußere Hautbild wird davon beeinflusst:
- Die Haut lagert mehr Wasser ein, Fältchen verschwinden und die Brüste werden straffer.
- Die Mikrozirkulation in der Haut verstärkt sich, die Hautoberflächentemperatur steigt.
- Besenreiser (Couperose) treten stärker hervor.
Durch die stärkere Durchblutung erscheint der Teint dunkler. Außerdem wird mehr Melanin gebildet. Es können
Pigmentflecken entstehen. - Die Talgdrüsen sind aktiver, fetten die Haut stärker und können die Ursache für Hautunreinheiten sein.
- Die Hautelastizität nimmt zu.
Im Allgemeinen verändert sich die Haut im positiven Sinne. Daher muss man sich um die "normale" Hautpflege wenig Sorgen machen und sie gegebenenfalls nur ein wenig anpassen.
Störungen vermeiden
Anders liegt die Sache, wenn es um die Dehnung der Haut geht, die je nach Beschaffenheit des Bindegewebes zu den gefürchteten Schwangerschaftsstreifen führen kann. Schwangerschaftsstreifen entstehen, wenn das Kollagengerüst an Bauch, Hüften und Brüsten stark gedehnt wird und reißt. Das hinterlässt narbige Streifen. Als Präventiv-Maßnahme werden elastizitätserhaltende Massagen empfohlen. Dafür eignen sich Pflanzenöle wie Weizenkeim-, Traubenkern-, Nachtkerzen-, Hagebuttenkern- und Leinöl, die essenzielle Fettsäuren wie Linolsäure, alpha- und gamma-Linolensäure enthalten und die Regeneration der Haut stimulieren.
Wässrige Nanodispersionen dieser Öle sind auch für die tägliche Hautpflege praktisch. Sie ziehen schnell ein und fetten nicht. Zusammen mit Vitamin E, Sodium Ascorbyl Phosphate (ein Vitamin C-Derivat) und Barrierecremes kann man die Narben gut nachbehandeln.
Die gedehnte Haut wird noch empfindlicher, wenn sie bereits unter normalen Verhältnissen zu Barriere- und Verhornungsstörungen neigt. In diesen Fällen ist auf die Zusammensetzung der Pflegemittel zu achten. Konservierungsstoffe und Emulgatoren können ein Problem darstellen. Hygienepräparate sollten sehr milde Tenside enthalten. So oft wie möglich sollte nur lauwarmes, weiches Wasser ohne Zusätze verwendet werden.
Kleidung darf nicht reiben und muss luftig sein. Schließlich soll die höhere Aktivität der Schweißdrüsen, die mit der Schwangerschaft zusammenhängt, nicht noch weiter angeregt werden. Wenn der Schweiß zu Reizungen führt, sind Antitranspirantien auf einer milden Creme-Basis hilfreich.
Gefahr von Infektionen
Übertriebene Hygiene führt bei einer angegriffenen Barriereschicht häufig zu Infektionen, da Pilze und Keime leicht in die Haut eindringen können. Bei Pilzinfektionen sollte man sich beim Arzt nach einem wirksamen Antimykotikum erkundigen. Die entsprechende Behandlung darf nicht zu früh abgebrochen werden, da die Haut Zeit dafür benötigt, die zerstörten Barriereschichten abzustoßen. Eine rasche Neubildung der Barriere lässt sich z. B. mit einem Mix aus den Vitaminen A, C und E sowie D-Panthenol, in einer emulgatorfreien Cremegrundlage erzielen.
Juckreiz lässt sich meist mit Cremes oder Pudern, die z. B. Harnstoff, Allantoin oder Fettsäureamide enthalten, in den Griff bekommen. Wenn nicht, sollte man den Arzt konsultieren, was für alle ungewöhnlichen Hautreaktionen gilt. Haut, die zu Rötungen, Wundsein und Entzündungen neigt, kommt mit den bereits genannten essenziellen Fettsäuren und Vitaminen schnell zur Ruhe1.
Vielen stellt sich auch die Frage, ob es Stoffe gibt, die man während der Schwangerschaft meiden sollte.
Mit Ausnahme stark polarer Stoffe passieren praktisch alle kleinen Moleküle die Hautbarriere und verteilen sich im Körper, wenn sie nicht vorher in der Epidermis abgebaut (metabolisiert) werden. Ähnlich wie Nikotin und Alkohol als kritisch angesehen werden, gibt es auch kosmetische Ingredienzien, die man genauer unter die Lupe nehmen sollte, wie einige Beispiele zeigen.
Sensibel hinschauen
Ätherische Öle durchdringen die Haut in konzentrierter Form besonders gut und sind kurze Zeit später im Blutkreislauf wiederzufinden. Zum Teil bilden sich während der Lagerung auch unerwünschte, stark allergisierende Reaktionsprodukte mit Luftsauerstoff. Beispiele sind Ascaridol und 1,2,4-Trihydroxymenthan aus Teebaumöl und 5-Methoxypsoralen aus Bergamotteöl. Das Hypericin aus dem Johanniskrautöl kann fleckenförmige Hyperpigmentierungen erzeugen.
Bei vielen anderen ätherischen Ölen gibt es widersprüchliche Aussagen. Von der oralen Einnahme von Salbei z. B. wird während der Schwangerschaft abgeraten, da das enthaltene Thujon toxisch ist und der Tee angeblich das Stillvermögen vermindert. Über topische Anwendungen ist wenig bekannt. Salbeiöl kommt z. B. in Creme-Deos vor. Parfüm- und Aromaöle setzen sich aus natürlichen ätherischen Ölen und/oder synthetischen Riechstoffen zusammen. Einige der potentesten Allergene müssen seit geraumer Zeit in der INCI deklariert werden.
Koffein (Caffeine) ist als synthetische Monosubstanz und in Form von Teeextrakten (Grüner Tee) in Kosmetika enthalten. Allgemein gelten 200 mg Koffein täglich für Schwangere als unbedenklich, wenn es als Kaffee oder Tee getrunken wird. Eine Tasse Filterkaffee enthält rund 100 mg Koffein, eine Tasse Tee etwa 50 mg. Zum Vergleich: Kosmetische Wirkstoffkonzentrate gelten mit 2% Koffein als hoch dosiert. Um die tägliche Dosis von 200 mg zu erreichen, müssten 10 ml Wirkstoffkonzentrat appliziert werden. Dabei sind Resorptionsverluste (siehe auch Vitamin A) noch nicht einkalkuliert.
Die in der Kosmetikverordnung (KVO) zugelassenen Konservierungsstoffe besitzen durchweg ein allergisches Potenzial. Inwieweit dabei eine Sensibilisierung des ungeborenen Kindes stattfinden kann, ist unbekannt. Im Zweifelsfall ist es besser, Produkte zu meiden, die mit phenolischen oder halogenaromatischen Verbindungen wie etwa Triclosan, Chlorphenesin oder Kresolen konserviert sind. Präparate mit Salicylsäure, die für Kinder unter 3 Jahren nicht verwendet werden darf, sollten nach der Geburt nicht im Brustbereich appliziert werden. Die Verwendung von Butyl- und Propylparaben in Produkten für Kinder unter 3 Jahren ist in Dänemark seit 2011 verboten2.
Phthalate erscheinen nicht explizit in der INCI. Diese auch als Weichmacher bekannten Substanzen dienen der Vergällung von Alkohol, der dann als Alcohol denat deklariert wird. In Kosmetika wird hauptsächlich Diethylphthalat (Phthalsäurediethylester, abgekürzt DEP) eingesetzt. Die Mindestkonzentration beträgt gemäß Branntweinsteuerverordnung 0,5% im Alkohol. Bei einer Studie aus dem Jahre 2008 wurde der Urin von 163 Kleinkindern, die im Zeitraum von 2000-2005 geboren wurden, auf Phthalate untersucht. Dabei wurden unter anderem Monoethylphthalat, Monomethylphthalat und Monoisobutylphthalat nachgewiesen, deren Konzentrationen mit der Anzahl der verwendeten Hautpflegeprodukte korrelierten. Aus toxikologischer Sicht ist daher die Empfehlung des Umweltbundesamt (UBA) ernst zu nehmen, die den Verzicht auf DEP vorschlägt3.
Einige ältere UV-Filter sind wegen ihrer endokrinen (hormonellen) Aktivität in die Diskussion geraten. Sie lassen sich in der humanen Muttermilch nachweisen4. Inwieweit sich die Ergebnisse in vitro und in vivo durchgeführter Tests hinsichtlich ihrer hormonellen Wirkung (Säuger, Fische) auf den Menschen übertragen lassen, ist nicht bekannt. Interessant ist aber, dass etwa die Hälfte der positiven Milchproben von Frauen stammten, die gar keine expliziten Sonnenschutzmittel benutzt hatten. Hier dürften Tagescremes und Lippenstifte, die oft zusätzlich mit UV-Filtern ausgerüstet sind, eine Rolle spielen. Die großflächige Verwendung und Dauerbelastung durch UV-Filter, z. B. beim Sonnenbaden, sollten daher vorsichtshalber auf einen gezielten und tatsächlich erforderlichen Schutz reduziert werden.
Vitamin A ist als Retinol (Alkohol), Retinal (Aldehyd) und Beta-Carotin (Provitamin A) in Kosmetika enthalten. Retinol Acetate, Retinol Propionate und Retinol Palmitate sind Ester des Vitamin A und werden in der Haut enzymatisch gespalten. Ihre Wirkung resultiert größtenteils aus der Umwandlung der Retinoide in Vitamin A-Säure (Retinoic Acid).
Vitamin A-Säure ist seit vielen Jahren in Hautpflegemitteln verboten, in der Dermatologie aber unter der Bezeichnung Tretinoin und Isotretinoin (Isomer) zugelassen. Retinoide besitzen eine Irritationsschwelle. Das bedeutet: Bei höheren Konzentrationen oder penetrationsfördernden Nanodispersionen beobachtet man Vitamin A-Säure-Effekte wie etwa Hautrötungen.
Bei Schwangeren kann die orale Überdosierung von Vitamin A beim Kind zu Schäden führen. Dies muss bei der Ernährung (Leber, Innereien) berücksichtigt werden. Der tägliche orale Bedarf beträgt 2500 IE (0,75 mg); 10.000 IE oral gelten als sicher. Kosmetische Wirkstoffkonzentrate können bis zu 6000 IE/ml enthalten. Das erscheint viel, relativiert sich aber durch die letztendlich geringen Applikationsmengen, die Verluste bei der Passage der Barriere und die sehr rasche lokale Metabolisierung in der Epidermis. Systemisch relevante Konzentrationen sind nicht bekannt: In einer Studie konnte gezeigt werden, dass die 21-tägige Applikation von 0,3% Retinol und 0,55% Retinol Palmitate (30.000 IE = 9 mg) einmal täglich auf 3000 cm2 Hautfläche (Rücken, Oberschenkel) keinen nachweisbaren Einfluss auf die Plasmaspiegel hat5. Gegen die täglich 2-malige Applikation (0,3%ige Gesichtscreme, 0,05%ige Bodylotion) spricht aus Sicht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) nichts6.
Wesentlich bei der Basispflege ist der Schutz der Hautbarriere - möglichst physiologisch orientiert am natürlichen Vorbild: Fettstoffe, Ceramide, Phytosterine, langkettige Fettsäuren und Moisturizer. Bei zusätzlichen Wirkstoffen muss man sich immer im Klaren sein, dass sie in der Regel nicht für Schwangere konzipiert sind und die Ermittlung eines möglichen Einflusses auf das Ungeborene nicht Bestandteil von Verträglichkeitsprüfungen ist. Vor allem bei hoch dosierten, natürlichen Extrakten und modernen Anti-Aging-Wirkstoffen sollte man sich vor der Verwendung gut informieren.
Quellen
1. Lautenschläger H, Hautrötungen - den Ursachen auf der Spur, Kosmetik International 2005 (8), 34-36)
2. Quelle: 7. Sitzung der BfR-Kommission für kosmetische Mittel, Protokoll der Sitzung vom 19. Mai 2011
3. Lautenschläger H, Echt gallig! - Reinen Alkohol einschenken, Kosmetik International 2009 (12), 28-30
4. Schlumpf M et al, Endocrine active UV-Filters: Developmental toxicity and exposure through breast milk, Chimia 62,
345-351 (2008)
5. Nohynek GJ, Meuling WJA, Vaes, W., Lawrence RS, Shapiro S, Schulte S, Steiling W, Bausch J, Gerber E, Sasa H, Nau H,
Repeated topical treatment, in contrast to single oral doses with Vitamin A-containing preparations does not affect
plasma concentrations of retinol, retinyl esters or retinoic acids in female subjects of child-bearing age, Toxicology
Letters, 163 (1), 65-67 (2006)
6. Die 5. Sitzung der BfR-Kommission für kosmetische Mittel, Protokoll der Sitzung vom 6. Mai 2010
Dr. Hans Lautenschläger